Befreiung zum Leben
Rudolf Lütticken
Eine spirituelle Vision - Predigten
Gottesdienste zum Totengedenken wurden im Klinikum zweimal jährlich angeboten.
Eingeladen waren die Angehörigen der in den letzten sechs Monaten im Klinikum verstorbenen Patienten.
Deren Namen - in der Regel etwa 30 pro Monat - wurden am Anfang des Gottesdienstes verlesen und
an einer symbolisch (z.B. als Haus, als Baum, als Sonnenblume) gestalteten Pinwand angeheftet.
Den Besuchern wurde zum Abschluss des Gottesdienstes ein gesegnetes Zeichen (z.B. ein Stern, eine Blume,
einige Sonnenblumenkerne) zur Erinnerung mitgegeben. Im Anschluss waren sie in die Cafeteria der Klinik eingeladen,
wo Seelsorger und Pflegekräfte mit ihnen Kontakt aufnehmen konnten.
Jedes Jahr fand Ende November in der Krypta von St. Matthias ein Gottesdienst zum Gedenken
an die im Laufe des Jahres fehl- und totgeborene Kinder statt. Deren sterbliche Überreste wurden anschließend
in einem kleinen Sammelsarg in einem dafür reservierten Grab beigesetzt. Die Initiative wurde von Bestattern
der Stadt Trier und der Seelsorge des Klinikum Mutterhaus getragen.
Die Eucharistiefeier mit Kehlkopfoperierten wurde im Rahmen der Jahreshauptversammlung und Adventsfeier des Vereins der Kehlkopfoperierten angeboten. Sie galt dem Gedenken der im vergangenen Jahr Verstorbenen des Vereins. In der Predigt stand jedoch das Leben der Kehlkopfoperierten und ihrer Angehörigen unter der Last ihrer Behinderung und der Schmerzhaftigkeit ihrer Verlusterfahrung im Blickpunkt.
Begräbnisse ergaben sich im Kontext der Pfarrseelsorge sowie aus der Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen auf der Palliativstation des Klinikums. Ihnen ging wenigstens ein Gespräch mit den Angehörigen voraus. Es galt zwar die Regel, dass es nicht Aufgabe des Predigers sein könne, ein Lebensbild des Verstorbenen zu zeichnen oder Leben und Person zu würdigen. Andererseits ging es mir durchaus darum, an das Bild des Verstorbenen so, wie es mir aus der Trauer der Angehörigen entgegentrat, anzuknüpfen und daraus Motive zu gewinnen, von denen aus sich eine Brücke zu tröstenden Aussagen des Evangeliums und des Glaubens schlagen ließ. Für meine Erfahrung verlieh die Feier der Eucharistie - auch für kirchenferne Teilnehmer - diesen Aussagen über das gesprochene Wort hinaus berührende Gegenwart. Der eigentliche Trost liegt ja darin, dass die bleibende Verbundenheit, die Jesus den Seinen bei seinem letzten Mahl mit ihnen zusagt (Joh 14-16) und im sakramentalen Zeichen schenkt, auch unsere Verbundenheit miteinander und mit unseren Verstorbenen im Tiefsten prägt und trägt.
Taufen und Trauungen fielen in meiner seelsorglichen Tätigkeit nur vereinzelt an. In unterschiedlicher Weise erlaubten die vorbereitenden Gespräche die Anknüpfung an die persönlichen Sehweisen der Betroffenen und deren Vertiefung durch die Zusagen des Glaubens. Die Liebe, die Jesus "gebietet", ist nicht nur Maßstab, sondern eine von Gott ausgehende Dynamik, auf die wir uns glaubend einlassen dürfen.
Ökumenische Gottesdienste fanden über zwei Jahrzehnte jährlich zweimal statt - im Wechsel zwischen der evangelischen Christuskirche und der St.-Matthias-Basilika, katholischerseits von Pfarrei und Abtei St. Matthias gemeinsam getragen. Thematik und Gestaltung des Gottesdienstes waren jeweils vom ökumenischen Arbeitskreis vorbereitet.